Der Banff-Nationalpark hat sicherlich die geografisch-genetische Lotterie gewonnen, anders ist es nicht zu erklären, warum ein Nationalpark, der sowieso schon den größten Teil der kanadischen Rocky Mountains für sich beansprucht, auch noch diese Seen abgestaubt hat! Lake Louise hat eine Farbe, als hätten alle Tiffany&Co-Filialen dieser Welt ihre Tüten da reingeworfen. Die Bergzipfel vor Moraine Lake sind die wohl meistfotografierte Seekulisse überhaupt und Lake Agnes fand sich anscheinend so hübsch, dass es ihn immer doppelt gibt. Denn der See ist so ruhig, dass er sich fast immer spiegelt. Da fällt es doch schwer zu glauben, dass das Örtchen Banff und der umliegende Nationalpark im Jahr 1885 nur als Mittel zum Zweck entstanden, und zwar um mit Touristeneinnahmen die Eisenbahnlinie von Kanadas Osten in den Westen weiterhin finanzieren zu können. Diese Strecke habe ich in einem meiner letzten Posts beschrieben und als unsere Zugfahrt mit dem Rocky Mountaineer nach zwei Tagen hier zu Ende ging, sind wir noch zwei weitere Tage im Nationalpark geblieben. Sollte man unbedingt machen, weil hier: Banff, die größte Ortschaft innerhalb des Parks, wurde nach dem schottischen Banffshire benannt, der Heimatregion zweier Geldgeber der Canadian Pacific Railway. Mit seinen 75000 Einwohnern ist Banff aber mehr ein Ausgangspunkt für Touren als eine wirkliche Sehenswürdigkeit.
In Banff Downtown gibt es auch nette Souvenirs wie Ahornsirup oder Bärentatzen (mit Schoko überzogenes Gepäck mit Cashews als Krallen) – für alle wie mich, die kein Glück hatten, einen echten Grizzly zu sehen.
Als wir in Banff aufgewacht sind, hat es über Nacht überraschend geschneit. Da keiner noch Schneeketten ausgepackt hatte, kamen wir keinen einzigen Berg hoch und mussten alle Hiking-Touren canceln. Und wenn man nicht mit dem Auto vorankommt, nimmt man… genau, einen Heli!
Also, Glück im Unglück oder wie unser Pilot gesagt hat: “Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach keine shitty Limo draus, sondern gieß Champagner drüber.” Und tatsächlich: Die frisch eingeschneiten Rockies von oben zu sehen, ist alles andere als Limo.
Don’t fly and take selfies! Ich als Kopilotin bin eine super Bereicherung für… niemanden.
Alles haben wir dann doch nicht geschafft: Der Banff-Nationalpark ist 6641 Quadratkilometer groß.
Allein schon mit dem Auto den Park hoch und runter zu fahren, ist eine Sehenswürdigkeit an sich, weil man ständig das Gefühl hat, direkt in einen Berg hineinzufahren. Zwischendurch kann man immer für ein paar Ahorn-Donuts anhalten. Der Schnee ist übrigens schon am Nachmittag geschmolzen. So ein Pech, hätten wir doch hiken gehen können…
Der erste See, an dem wir angehalten haben, war Moraine Lake. Hier herrscht das ganze Jahr über Blitzlichtgewitter wie auf der Fashion Week. Kommt am besten, wenn die Sonne im Rücken steht oder zumindest noch nicht so hoch. Bei uns hat es schon etwas zu stark gespiegelt. Trotzdem war es aufregend, nicht zuletzt auch wegen der überall verteilten Bären-Warnschilder, die einen ständig daran erinnern, dass diese Aussicht auch die letzte sein könnte. Wichtigster Tipp: Immer in einer Gang unterwegs sein und dabei laut reden. Quasi meine beiden Lieblingsbeschäftigungen…
Als Pseudo-Pfadfinder haben uns natürlich Picknick (selbst) mitgebracht!
Da die Kanadier damals beim Ausbau von Banff keine Ahnung von Bergtourismus hatten, holten sie die Schweizer in die Rockies. Die Schweizer zeigten, wie man Pisten und Wanderwege präpariert, Thermalquellen für Spas nutzt und Käsefondue zubereitet. Das erste Luxushotel wurde 1888 von der Bahnverwaltung eröffnet – das Fairmont Banff Springs (Foto oben, urprünglich war es aber aus Holz). Und irgendwie spürt man diesen Schweiz-Touch in Banff immer noch.
Das Hotel ist schön, aber so riesig wie ein Schloss. Ich habe mich ständig verlaufen und bin auf fremden Hochzeiten gelandet… Davor ruhten sich den ganzen Tag Hirsche aus.
Am nächsten Tag hatten wir Zeit für gleich zwei Seen: Lake Louise und Lake Agnes.
Lake Agnes (der “Spiegel-See”) liegt etwas höher in den Bergen, man geht etwa eine Stunde lang am Lake Louise vorbei zu ihm hinauf. Es gibt ein kleines Teehaus und ganz viel Stille.
Lake Louise ist bekannt für diese milchig-türkise Färbung, die man sonst nirgendwo auf der Welt sieht. Grund dafür ist das „Felsmehl“, Kalkgestein der Berge, das in die Seen gespült hauptsächlich Blau- und Grüntöne des einfallenden Lichtes reflektiert. Je nach Tages- und Jahreszeit, variiert auch die Färbung.
Kommt vormittags oder nachtmittags, dann ist es schön leer und ihr habt auf einem Kanu Lake Louise fast für Euch allein. Von 12 bis 15 Uhr kommen die Touristenbusse.
Wer direkt am Lake Louise übernachten möchte, kann im Fairmont Chateau Lake Louise bleiben und von seinem Balkon aus den ganzen Tag auf den See starren. Und zwischendurch auf ein paar Sandwiches runterkommen. Allerdings machen mich kleine Gewürzgurken immer so traurig…
Am Morgen des dritten Tages (kurz vor unserer Abreise) ist der Schnee dann endgültig geschmolzen und es hat sich ein bisschen wie Frühling angefühlt. Das Fairmont Banff Springs machte seine Sonneterrasse auf und ich musste mich leider verabschieden von meinen drei Model-Lakes!
Mit einem Bloody Mary. Damit es nicht ganz so weh tut…
Und nu? Von Banff kommt man nach zwei Stunden Busfahrt nach Calgary, von wo aus man nach Deutschland fliegen kann. Oder man fährt weiter zum Jasper-Nationalpark!
aldhg